Kindheitstrauma, childhood_trauma, cPTBS-Symptome

Angstaffekte Kinderängste verstehen

Angstaffekte – Kinderängste verstehen

Wenn entwicklungsgemäße kindliche Bedürfnisse nicht durch die Eltern oder eine andere Pflegeperson ich-gerecht und realitätsgerecht erfüllt beziehungsweise versagt werden, entstehen so genannte pathogene Konflikte zwischen widerstreitenden Strebungen, die auf Dauer keine alters- und persönlichkeitsgerechte Lösung finden. Sie legen den Grundstein für Schwierigkeiten bei einer erneuten Konfrontation mit der entsprechenden Entwicklungsaufgabe im späteren Leben.

Die pathogenen Konflikte sind aufgrund der Reaktivierung von Es-Impulsen gekennzeichnet durch ein unerträgliches Maß an Angst und durch unbewusste Abwehrmechanismen dagegen.

Angstaffekte – Anteile des pathogenen Konfliktes

  • Bio-psycho-soziale Entwicklungsstufen der Grundbedürfnisse
  • Reifung der primär autonomen Ich-Funktionen (Wahrnehmung, Denken, Urteilsvermögen)
  • Interaktionelle Erfahrung mit Mutter, Vater, Geschwistern (primäre Bezugspersonen)
  • Internalisierung der Erfahrung im Seelischen, die sich in Strukturen niederschlagen wie Ich, Es, Über-Ich und Ideal-Ich.

Die mit den Konflikten verbundenen Angstaffekte werden nach den Entwicklungsstufen unterschieden:

AlterAlterstypische Angst
erste MonateVernichtungsängste
Erstes LebensjahrVerlustängste
Erstes bis zweites LebensjahrTrennungsängste
Zweites LebensjahrAngst vor aggressiven Impulsen
Drittes bis viertes LebensjahrAngst vor Liebesverlust und Bestrafung

Diese Ängste mobilisieren als Signal bestimmte Abwehrformen und helfen damit, innere Gefahrensituationen zu erkennen. Später, in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter, werden die entstandenen Grundstrukturen durch Beziehungen mit Anderen überlagert von weiteren Erfahrungen die zur Stabilisierung oder Schwächung der Abwehr beitragen. Ist die Abwehr instabil, kommt es bei einer erneuten Mobilisierung des Konflikts entweder zu einer Aktion (Triebentladung) oder zu einer Verkleidung des Triebwunsches in ein Symptom. Dabei werden die Konflikte symbolisch ausgedrückt (zum Beispiel Vermeidung bei Phobien). Das Symptom ist also ein innerseelischer Kompromiss für den pathogenen Konflikt. Dadurch wird die Signalangst reduziert (primärer Krankheitsgewinn). Die Abwehr muss nicht ausschließlich intrapsychisch sein. Es gibt auch Mechanismen in der Familie oder in der Paarbeziehung, die der Abwehr dienen können (interpersonale beziehungsweise psychosoziale Abwehr).

Angstaffekte – alterstypische Ängste

Angst ist beim Auftreten innerer, äußerer oder verinnerlichter Konflikte stets vorhanden. Dabei  ist zu beachten, dass verschiedene Ausprägungen von Angst auch ein Entwicklungsphänomen darstellen. In verschiedenen Altersstufen treten also typische Ängste auf, die mit den o. gen. Mechanismen der Signalangst und pathogenen Konflikte nichts zu tun haben.

AlterAngstauslöserAlterstypische Angst
0 bis 6 Monatesensorische Reize, Verlust von Zuwendung
1/2 bis 1 JahrFremde Menschen, Trennung
2 bis 4 Jahre„Monster“, Einbrecher, DunkelheitTrennungsangst
5 bis 7 JahreNaturkatastrophen, Verletzungen, Tiere, Inhalte aus dem Internet und FernsehenTierphobie, Blutphobie
8 bis 11 JahreLeistungsversagenSchulangst
12 bis 18 JahreAblehnung durch GleichaltrigeSoziale Phobie, Agoraphobie, Panikstörung

Angstaffekte – Angstörungen im Kindes- und Jugendalter

In Studien wurden Raten zwischen 9,5 % und 18,6 % für die sog. „Emotionalen Störungen im Kindes- und Jugendalter“ beschrieben. Die Ursachen sind vielfältig (biologische Veranlagung, Modelle zu Hause, Erziehungsstil, vermeidender Coping-Stil). Ebenso vielfältig sind die Formen der Angststörung in dieser Entwicklungsstufe. Sie stellen in erster Linie Verstärkungen normaler Entwicklungstrends dar .

F93.0
Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters

  • Unrealistische Angst, dass eine Bezugs Person etwas zustoßen könnte oder das Kind anderweitig von der Bezugs Person getrennt wird
  • Trennungsschwierigkeiten am Abend
  • Albträume zu Trennungsthemen
  • Leiden bei Trennung oder in Erwartung von Trennung
  • Beginn vor dem sechsten Lebensjahr
  • Mindestens vier Wochen Dauer

F93.1
Phobische Störung des Kindesalters

  • Zu Beginn der Störung Entwicklungsphasen typische Angst, jedoch mit übermäßiger Ausprägung
  • Angststörung
  • Mindestens vier Wochen

F93.2
Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters
Bei dieser Störung besteht ein Misstrauen gegenüber Fremden und soziale Besorgnis oder Angst, in neuen, fremden oder sozial bedrohlichen Situationen, die ungewöhnlich stark ausgeprägt sind und zu deutlichen Problemen führen.

  • Ängstlichkeit und Vermeidung in sozialen Situationen
  • Reduktion sozialer Beziehungen
  • Gute Beziehungen zu Bekannten oder Familienmitgliedern
  • Mindestens vier Wochen
  • Keine andere Angststörung

F93.3
Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität
Die Mehrzahl kleiner Kinder zeigt gewöhnlich ein gewisses Ausmaß emotionaler Störungen nach der Geburt eines unmittelbar nachfolgenden jüngeren Geschwisters! Eine emotionale Störung liegt nur vor, wenn sowohl das Ausmaß als auch die Dauer der Störung übermäßig ausgeprägt sind und mit Störungen der sozialen Interaktionen einhergehen.

Synonym: Geschwistereifersucht

  • Intensive negative Gefühle gegenüber den jüngeren Geschwistern
  • Wutausbrüche, oppositionelles Verhalten
  • Beginn bis sechs Monate nach Geburt des Geschwister Kindes
  • Mindestens vier Wochen

F93.80
Generalisierte Angststörung des Kindesalters

  • Intensive Sorgen und Ängste über mindestens sechs Monate bezogen auf Ereignisse und Aktivitäten
  • Schwierigkeiten, diese Sorgen zu kontrollieren
  • Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, Muskelverspannungen
  • Ängste in mindestens zwei Situationen
  • Beginn vor dem 18. Lebensjahr
  • Deutliches Leiden oder Beeinträchtigung

Die Behandlung muss einerseits die Eltern mit einbeziehen (sie dienen vielfach als Modell) und andererseits mit dem Kind arbeiten. Dabei haben sich besonders Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie (Desensibilisierung oder auch Flooding in Verbindung mit Reaktionsmanagement) bewährt. Außerdem können Kinder und Jugendliche gut von der Vermittlung von Entspannungstechniken profitieren.

Bislang sind keine Medikamente zur Behandlung von Angst-Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter zugelassen. Der Einsatz von Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern erfolgt gelegentlich im off-label-Gebrauch.

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