christmas_tree, decoration, loneliness, einsamkeit

Einsamkeit – HOW-TO zur Bewältigung einsamer Feiertage

Einsamkeit: Alleinsein ist nicht Einsamkeit

Für viele Menschen sind die Feiertage zum Jahreswechsel eine Festzeit mit der Familie. Weihnachtsfeiern in der Firma, Plätzchenbacken in der Adventszeit, Bescherung am Heiligabend, Familienmahlzeit am Weihnachtstag, Silvester und zahlreiche religiöse Feiern füllen die Herzen mit Freude. Wenn aber alle Freunde selbst in ihren Familien feiern, sind Weihnachtsfeiertage für Menschen ohne Familie einsam, mit kurzen Tagen und langen Nächten. Die begrenzten Öffnungszeiten der Restaurants und die zeitig angesetzten Konzerte, machen die Einsamkeit nur umso schmerzlicher deutlich: jeder hat es eilig, nach Hause und zu seinen Lieben zu kommen.

Trotz unseres angeborenen Bedürfnisses nach Kontakt ist zuzeiten Alleinsein ist eine normale und zuzeiten sogar notwendige menschliche Erfahrung – für sich sein. „Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben“, heißt es bei Ernst Ferstl. Wer gut mit sich allein sein kann, ist niemals wirklich einsam.

Einsamkeit: Alleinsein hat Vorteile

1. Man kann tun, was man möchte

Keine hektische Festvorbereitung – man kann tun, was man will. Einfach so. Alte Platten hören oder in aller Ruhe lesen, kochen, baden oder, wenn es sein muss, die Wohnung umräumen. Es lohnt sich, zu lernen, allein zu sein. Es verhilft zu wichtigen Erkenntnissen: Welche Bedürfnisse habe ich eigentlich? Was möchte ich? Was macht mir Spaß? Aus dem Alleinsein können wir Kraft ziehen, auch wenn uns das oft nicht bewusst ist.

2. Alleinsein macht uns bewusst, wer wir sind

Dass man gerne allein ist, bedeutet nicht, dass man ungesellig oder mürrisch ist. Wer mit sich selbst Zeit verbringen kann, weiß auch besser, wer er oder sie eigentlich ist. Und das kann in Gesellschaft anderer nur ein großer Vorteil sein.

3. Pläne schmieden

Ohne Ablenkung, kann man die Vorhaben überdenkend und Vergangenes reflektieren. Im Alltag sind wir oft ständig im Gespräch sind und gezwungen, zu interagieren. Da kommt das Nachdenken zu kurz, aber genau das erlaubt uns Wachstum und Entwicklung.

4. Selbstvertrauen stärken

In einer Gruppe verlassen wir uns gerne auf die anderen. Ist man allein, muss sich neu zurechtfinden und Dinge erledigen. Sich neuen Situationen zu stellen und sie zu meistern, stärkt unser Selbstbewusstsein. Egal, ob man sich an einem fremden Ort zurechtfinden muss, oder das Fahrrad repariert.

5. Der Blick für Alltägliches wird geschärft und angeregt

Alleinsein erlaubt Einklang mit Natur und unserer Umgebung, einfach, weil wir sie mit ungeteilter Aufmerksamkeit erleben können. Wir nehmen Notiz von der Architektur oder sehen einen neuen Laden, den wir besuchen wollen. Und wir fühlen uns freier, unabhängiger und selbstsicherer.

6. Gedanken zulassen und Dämonen stellen

Wer Nachdenken vermeidet, kann Probleme verdrängen, die dringend aufgearbeitet gehören. Im Alleinsein können sich Gedanken ordnen und lassen Lösungswege entdecken.

Einsamkeit: Was unterscheidet aber Alleinsein von Einsamkeit? 

Letztere wird oft älteren, alleinstehenden oder von der Familie entfremdeten Menschen zugeschrieben. Auch Menschen, die das ganze Jahr über soziale Kontakte ihrer Arbeit opfern, sind davon betroffen, oder die Überlebenden von Kindheitstraumata, denen eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (cPTBS) mit geringem Selbstwertgefühl, Stimmungsschwankungen, mit Panik, Wutausbrüchen, Misstrauen und sozialen Ängsten eine tragfähige Bindung stark erschweren.

Einsamkeit ist nicht einfach. Die Sozialpsychologie nennt Einsamkeit (Loneliness), einen individuellen Zustand, der durch das Fehlen zwischenmenschliche Kontakte gekennzeichnet ist, ein Beziehungsdefizit, das in vielfältigen Bereichen auftreten kann (romantisch – sexueller, freundschaftlicher, familiärer, nachbarschaftlicher Bereich). Sie kann kurzzeitig oder anhaltend auftreten. 

Sie weist drei Eigenschaften auf: erstens Gedanken und Gefühle der Trennung von anderen und der damit verbundenen Vorstellung von eigener Unterlegenheit und Schwäche, zweitens negative Gefühle wie Ärger und Traurigkeit und drittens Isolation – Handlungen, wie das Vermeiden von Sozialkontakten, was zu Einsamkeit führt. 

Hauptgründe für dieses Gefühl der Einsamkeit sind die Abwesenheit geliebter Menschen, und Kummer. Eine weitere mögliche Ursache von Einsamkeitsgefühlen ist die „Saisonal Abhängige Depression“ (Seasonal Affective Disorder, SAD). Dabei handelt es sich um eine Form der Depression, die in der Regel mit dem Wechsel der Jahreszeiten einhergeht, aber im Herbst und Winter besonders stark ausgeprägt ist. Subjektiv erlebte Einsamkeit geht häufig mit Depressionen einher, die unter Umständen eine Psychotherapie erforderlich machen. Jedoch müssen Depressionen nicht unbedingt mit Einsamkeit zusammenhängen: so kann der Verlust einer wichtigen Bezugsperson sowohl Einsamkeit als auch Depression auslösen, der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes wird Depressionen verursachen, muss aber nicht notwendigerweise zur Einsamkeit führen. Einsamkeit wird durch sozial-strukturelle Bedingungen gefördert. Dazu zählt insbesondere die Anonymität des Wohnens in Großstädten.

Besonders quälend wird Einsamkeit, wenn unrealistische Erwartungen an die Feiertage durch Posts in den sozialen Medien verstärkt werden, in denen alle unaufhörlich grenzenlosen Spaß haben. Niemand hat Mühe mit den makellos ausgerichteten Feierlichkeiten, nichts misslingt je, keine Kinder quengeln – in den sozialen Medien gibt es auch keine Familienstreitigkeiten. Und wer von dieser Glückseligkeit ausgeschlossen ist, muss sich minderwertig fühlen. 

Einsamkeit: Die Wahrheit über die Einsamkeitsepidemie an Feiertagen

Es scheint ohnehin, als ob die Einsamkeit an Feiertagen eigentlich das ganze Jahr besteht und gewohnte Strategien zu ihrer Bewältigung einfach nicht mehr ausreichen, wenn Werbung, Medien und die gesamte Umgebung plötzlich Familie, Zusammensein und die Verbundenheit beschwören. Denn ähnliche Gefühle können sich zu jeder Jahreszeit, etwa als Urlaubsblues, einstellen. Einsamkeit betrifft Menschen unabhängig von Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder Nationalität. Einer kürzlich durchgeführten Umfrage zufolge leiden 55 % der Amerikaner unter dem Urlaubsblues, wobei sich die Generation Z (75 %) und alleinstehende Erwachsene (65 %) einsamer fühlen als andere in der Untersuchungsgruppe.

Über 25 % der Generation Z geben jedoch an, dass ihre Einsamkeit auf die sozialen Medien zurückzuführen ist. Ferner sind Mitglieder der LGBTQIA+-Gemeinschaft mit den höchsten Einsamkeitsraten konfrontiert, unter denen 76 % angaben, sich um die Feiertage herum aufgrund schlechter familiärer Beziehungen einsam zu fühlen.

All diese erschreckenden Statistiken zeigen, dass mehr Menschen mit jahreszeitlich bedingter Einsamkeit zu kämpfen haben, als wir denken. Aber es gibt Dinge, die Sie tun können, um diese Jahreszeit für alle ein wenig freundlicher zu gestalten.

Einsamkeit: Tipps zur Bewältigung der Einsamkeit an den Feiertagen

Manche der Betroffenen verfallen während der Feiertage in ungesunde Bewältigungsmechanismen, z. B. mit Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Aber Tatsache, dass die Einsamkeit in der Urlaubszeit so viele potenzielle Ursachen hat, ist eine gute Nachricht. Sie bedeutet, dass es eine Vielzahl von Lösungen und Strategien gibt, negative Gefühle während der Feiertage und darüber hinaus in den Griff bekommen.

1. Erwartungen prüfen

Die sozialen Medien begünstigen zahlreiche Störungen, von Essstörungen bis hin zu Depressionen. Sie zeigen einfach unrealistische Bilder davon, wie unser Leben aussehen sollte: glückseliger Konsum. Dies ist jedoch für Millionen von Menschen nicht der Fall. Was wird Sie in der Weihnachtszeit glücklich machen? Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie in Ihrem Leben haben, und haben Sie den Mut zu akzeptieren, dass es nicht mit dem übereinstimmt, was Sie im Internet sehen. Wenn Sie die Posts und Werbung in sozialen Medien nerven oder bedrücken, ziehen Sie eine Auszeit in Betracht.

2. Geben Sie anderen etwas zurück

Wenn Sie Ihre Feiertage mit Freude füllen wollen, können Sie sich freiwillig melden, um denjenigen zu helfen, die weniger Glück haben als Sie. Dies kann eine unglaublich bereichernde Erfahrung sein, die uns das Gefühl gibt, Teil einer Gemeinschaft zu sein, und uns gleichzeitig erlaubt, uns bewusst zu werden, was uns selbst mit Dankbarkeit erfüllt.

3. Sorgen Sie für sich selbst

Anstatt vorgefertigter Erwartungen zu hegen, tun Sie, was Ihnen guttut. Lesen Sie ein Buch, sehen Sie sich Ihren Lieblingsfilm an oder kochen Sie ein Gericht, das Ihnen schmeckt. Es ist in Ordnung ist, wenn Sie die Feiertage nicht lieben oder sich in dieser Zeit des Jahres nicht am glücklichsten fühlen. Erlauben Sie sich, zu sein, wie Sie sind. Was können Sie tun, das es Ihnen erlaubt, das Leben, das Sie führen, zu schätzen?

4. Denken Sie daran, dass Sie nicht allein sind

Kaum jemand spricht über Einsamkeit, um nicht verurteilt, beschämt oder lächerlich gemacht zu werden. Die Wahrheit ist, dass viele Menschen Einsamkeit an den Feiertagen erleben. Es ist an der Zeit, diese Erfahrung zu normalisieren. Scheuen Sie sich nicht, mit anderen über Ihre Gefühle zu sprechen, sei es persönlich oder online. Ein Gespräch über Einsamkeit während der Feiertage kann anderen helfen zu erkennen, dass auch sie selbst nicht allein sind.

5. Seien Sie dankbar

Wir alle haben Dinge, für die wir dankbar sind, aber wir vergessen sie angesichts negativer Gefühle oft. Dankbarkeit ist eine Tugend des Gedächtnisses, des Erinnerns an Wohltaten oder an Hilfe, die wir von anderen empfangen haben. Wer sich freut, wer froh ist, ist dankbar. Diese Haltung löst weitere Freude aus im Gemüt. Sie strahlt aus in die Umgebung und bekommt sie von dort zurück. So besteht zwischen Freude und Dankbarkeit eine enge Wechselwirkung. Welche Dinge und Menschen lieben Sie? Was haben Sie erreicht? Was lieben Sie im Leben? 

Einsamkeit: Feiertagseinsamkeit muss nicht sein

Die Feiertage haben für viele verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen. Wenn Sie sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllt fühlen, kann der Jahreswechsel Depression und Rückzug bedeuten. Die vielleicht wichtigste Einsicht dabei ist aber, sich daran zu erinnern, dass man mit seiner Einsamkeit nicht allein ist.

Wenn Sie jemanden kennen, der keine Familie oder Freunde hat, laden Sie sie ihn zu Ihrem Weihnachtsessen oder zu einem Kaffeetrinken ein. Wir wissen selten, was im Leben eines anderen Menschen vor sich geht, aber immer kann ein wohlwollendes Gespräch oder eine freundliche Geste etwas verändern.

Quellen:

Bierhoff, H.-W., & Herner, M. (Hrsg.): Begriffswörterbuch Sozialpsychologie

http://www.buddhareden.com/fileadmin/user_upload/Dankbarkeit.pdf

https://www.entrepreneur.com/living/5-tips-for-coping-and-understanding-holiday-loneliness/440954?fbclid=IwAR2sn6AGbwX5rhZEA-G8Rommr7L_QXx6VntcJBcYXWJHds1VJWVHIHNu5R4

https://www.esquire.de/news/gesellschaft/psychologie-achtsamkeit-vorteile-des-alleinseins

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert