Toxische Scham: Die Fassade eines emotionalen Flashbacks
- Toxische Scham: Die Fassade eines emotionalen Flashbacks
- I. Einleitung
- Definition von toxischer Scham bei cPTBS
- Scham
- Toxische Scham
- II. Ursachen von toxischer Scham in cPTBS
- Kindheitstraumata
- Fehlende Selbstfürsorge
- Der Innere Kritiker
- III. Symptome von toxischer Scham in cPTBS
- Kognitive Verzerrungen
- Schwarz-Weiß-Denken
- Übergeneralisierung
- Katastrophisieren
- Selbstentwertung
- Zusammenhang zwischen toxischer Scham und Wut
- Zusammenhang zwischen toxischer Scham und psychosomatischen Beschwerden
- Emotionale Dysregulation und psychosomatische Beschwerden
- Beziehungsprobleme
- Wie können Partner trotzdem helfen?
- IV. Strategien zur Überwindung von toxischer Scham in cPTBS
- Identifikation von Triggern
- Mentalisierung und Selbstmitgefühl
- Mentalisierung
- Selbstmitgefühl
- Achtsamkeitsübungen und Selbstfürsorge-Praktiken
- Selbstfürsorge
- Selbstreflexion
- Achtsamkeit
- Selbstfürsorge-Praktiken zur Stärkung der Verbindung zwischen Körper und Geist
- Strategien zur Regulation von Wut
- V. Fazit
- Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
- Behandlungsmöglichkeiten von Toxischer Scham in cPTBS
Man kann toxische Scham eigentlich mit Recht als eine Fassade für emotionale Flashbacks ansehen. Emotionale Flashbacks sind ein Kernmerkmal von cPTBS, die immer begleitet von intensiven Gefühlen der Angst, Scham und Unzulänglichkeit auftreten. Toxische Scham wird dazu führen, dass sich die Betroffene während eines emotionalen Flashbacks schuldig und beschämt fühlt, auch wenn es keinen offensichtlichen Auslöser dafür gibt. In diesen Fällen kann toxische Scham paradoxerweise als eine Art Schutzmechanismus dienen, der es Betroffenen ermöglicht, ihre Emotionen zu kontrollieren und zu vermeiden, dass sie sich in einer traumatischen Situation hilflos fühlt.
I. Einleitung
Definition von toxischer Scham bei cPTBS
Toxische Scham ist ein ständiger Begleiter für Betroffene von Komplexer Posttraumatischer Belastungsstörung (cPTBS). Dieser Artikel untersucht die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von toxischer Scham in cPTBS.
Scham
Scham ist, ganz allgemein, eine Reaktionsform zum Erleben des Bloßgestelltseins, des schuldig Seins, des versagt Habens, des Prestigeverlusts oder ähnlichem, oft einhergehend mit vegetativen Begleiterscheinungen wie Erröten und Herzklopfen. Das Erleben von Scham ist ein peinliches Gefühl mit Verlust an bejahender Beziehung zu sich selbst, zu Mitmenschen und zur Welt. Trennen muss man Leibesscham von seelischer Scham. Letztere ist eine unangenehme emotionale Erfahrung, die auftritt, wenn jemand glaubt, gegen eigene oder soziale Normen oder moralische Standards verstoßen zu haben. Es kann als ein Gefühl der persönlichen Niederlage oder Unzulänglichkeit erlebt werden, und geht daher oft mit einem Verlust an Selbstachtung und Selbstwertgefühl einher.
Toxische Scham
Toxische Scham ist eine Form der Scham, die sich tief in die Persönlichkeit einnistet und ein dauerhaftes Gefühl der Minderwertigkeit und der Schuld hervorruft. Sie bezieht sich nicht auf Handlungen, Gedanken oder Gefühle, sondern auf das Selbst der Betroffenen. Im Gegensatz zu „gesunder“ Scham, die uns dazu anregt, unser Verhalten zu ändern, führt toxische Scham dazu, dass wir uns als minderwertig, nicht liebenswert und unwürdig erleben. Diese toxische Scham entsteht durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit, wie z. B. Missbrauch oder Vernachlässigung, und kann zu emotionaler Dysregulation führen.
Der Hauptunterschied zwischen Scham und toxischer Scham liegt in der Intensität und Dauerhaftigkeit der Erfahrung. Situative Schamgefühle sind vorübergehend und regen uns an, uns infrage zu stellen und an uns zu arbeiten. Toxische Scham ist hingegen tief verwurzelt und beeinträchtigt uns unser gesamtes Leben. Toxische Scham führt deshalb auch zu ungesunden Bewältigungsstrategien (SDCS), wie z. B. Suchtverhalten oder Selbstverletzung, um das Gefühl der Scham zu unterdrücken.
II. Ursachen von toxischer Scham in cPTBS
Kindheitstraumata
Toxische Scham entsteht aus traumatischen Kindheitserfahrungen Betroffener. Diese Traumata können körperlicher (sexueller), emotionaler oder spiritueller Natur sein und werden durch Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung verursacht. Sie führen, dass die Kinder das Gefühl verinnerlichen, sie selbst seien schuld an den traumatischen Ereignissen.
So werden Kinder oder Jugendliche in einer dysfunktionalen Familie oft kritisiert, abgelehnt, ausgelacht oder sogar bestraft, wenn sie ihre Bedürfnisse und Gefühle ausdrücken. Diese ständige negative Reaktion führt dazu, dass sie sich schuldig fühlen und schämen für alles, was sie tun oder nicht tun, sagen oder nicht sagen, denken oder fühlen.
Toxische Scham kann außerdem durch sexuellen Missbrauch oder andere Formen von Gewalt erzeugt werden, die Körpergrenzen verletzen und bei Betroffenen ein tiefes Gefühl der Beschmutzung hinterlassen. Die Erfahrung von sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung führt oft dazu, dass sich das Kind schämt für das, was passiert ist, und sich selbst die Schuld dafür gibt. Dies kann dazu führen, dass sich Betroffene unwohl oder unangenehm in ihrem eigenen Körper fühlen und sich selbst für die Erfahrung verurteilen.
Auch traumatische Ereignisse in der Erwachsenenzeit können Scham auslösen. Wenn eine Betroffene beispielsweise in eine Situation gerät, in der sie Opfer von Gewalt oder Missbrauch wird, kann dies zu einem Gefühl der Scham führen, dass sie nicht in der Lage war, sich selbst zu schützen oder zu verhindern, dass es passiert. Auch wenn das Opfer keine Schuld an dem Ereignis trägt, kann es sich trotzdem schuldig und beschämt fühlen.
In keinem der Fälle ist toxische Scham die Schuld des Opfers. Vielmehr entsteht sie als eine natürliche Reaktion auf traumatische Erfahrungen, die die Würde und Integrität der Betroffenen verletzen. Es ist jedoch auch wichtig zu verstehen, dass toxische Scham oft dazu führen kann, dass das Opfer sich weiterhin schuldig und beschämt fühlt, auch wenn die traumatischen Ereignisse längst vorbei sind.
Fehlende Selbstfürsorge
Fehlende Selbstfürsorge als Folge der eben erwähnten Schuldgefühle kann im späteren Leben Betroffener eine wichtige Ursache für toxische Scham sein. Wer selten erlebt, dass seine Bedürfnisse zuverlässig und fürsorglich erfüllt wurden, wird Schwierigkeiten entwickeln, für sich selbst zu sorgen und sich selbst zu akzeptieren. Stattdessen wird harsche Selbstkritik zur Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und zu einem Gefühl von Unzulänglichkeit führen. Es entsteht ein Teufelskreis, bei dem Betroffene das Gefühl haben, zur Selbstfürsorge weder berechtigt noch in der Lage zu sein und deshalb in Situationen geraten, die ihr Selbstwertgefühl noch weiter untergraben. Sie finden sich deshalb immer wieder in ungesunden Beziehungen oder Situationen wieder.
Menschen mit toxischer Scham haben also oft Schwierigkeiten, für sich selbst einzustehen oder ihre Grenzen zu setzen. Sie fühlen sich schuldig oder minderwertig, wenn sie für ihre Bedürfnisse einstehen, und sind daher oft bereit, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückzustellen, um die Bedürfnisse anderer zu erfüllen.
Der Innere Kritiker
Der Innere Kritiker ist ein Teil des psychischen Selbst, der dazu neigt, negative Selbstgespräche zu führen und das Selbstwertgefühl zu attackieren. Er ist sozusagen eine wildgewordene Form des Gewissens (Über-Ichs). Statt Werte und Grundsätze zur Beurteilung und Ausrichtung unseres Verhaltens zur Verfügung zu stellen, verwandelt er sich in eine strafende und verfolgende Instanz, die das gesamte Innenleben beherrscht und dem Ich keinen Raum zum Atmen lässt. Sein Zusammenhang mit toxischer Scham ist kompliziert. Der Innere Kritiker kann toxische Scham einerseits selbst auslösen, wird aber selbst auch von toxischer Scham ausgelöst oder verstärkt.
Der Innere Kritiker sorgt dafür, dass Betroffene hohe Standards an sich selbst anlegen und sich selbst kritisieren, wenn sie diese Standards nicht erfüllen. Dabei haben sie ständig das Gefühl, sie nicht gut genug zu sein oder es nicht verdient zu haben, gut für sich selbst zu sorgen.
Toxische Scham kann ihrerseits dazu führen, dass der Innere Kritiker negativere Selbstgespräche auslöst, die das Selbstwertgefühl weiter beeinträchtigen. Die Betroffenen können sich selbst beschimpfen oder sich für Fehler oder Schwächen verurteilen. Der Innere Kritiker kann, im Gegenteil, auch dazu führen, dass Betroffene ihre Erfolge oder Stärken herunterspielen, oder in Zweifel ziehen zu einem Gefühl der Überwältigung durch Schuldgefühle beitragen. Dann unterdrücken oder vermeiden Betroffene ihre Gefühle, was wiederum zu einer Verschlimmerung der toxischen Scham und sogar zu psychosomatischen Beschwerden führen kann.
III. Symptome von toxischer Scham in cPTBS
Toxische Scham äußert sich auf verschiedene Weise, aber es gibt einige häufige Symptome, die bei vielen Menschen mit cPTBS auftreten können. Zu diesen Symptomen gehören:
- Ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit, das oft von der Überzeugung begleitet wird, dass man es nicht verdient hat, glücklich zu sein oder Liebe und Unterstützung zu erhalten. Diese Überzeugungen können dazu führen, dass sich die Betroffene unwohl und unsicher in sozialen Situationen fühlt und sich von anderen isoliert.
- Eine starke Angst vor Ablehnung und Verurteilung durch andere Menschen. Betroffene werden sich auch aus diesen Gründen in sozialen Situationen unwohl fühlen und zweifeln, ob sie wertvoll genug ist, um von anderen akzeptiert zu werden. Diese Angst kann dazu führen, dass sich die Betroffene aus sozialen Situationen zurückzieht oder übermäßig anpasst, um Ablehnung und Kritik zu vermeiden.
- Eine weitere Folge von toxischer Scham ist das Gefühl, dass man nicht authentisch sein kann, da man befürchtet, dass man dann verachtet wird. Betroffene fühlen sich gezwungen, sich anzupassen oder zu verstellen, um zu vermeiden, dass sie von anderen kritisiert oder abgelehnt wird. Entfremdung und Einsamkeit sind mögliche Folgen.
- Ein Mangel an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Betroffene werten sich selbst ab und stellen ihre Fähigkeiten und Errungenschaften infrage. Dies kann sogar dazu führen, dass sich Betroffene selbst sabotieren und potenziellen Chancen und Möglichkeiten aus dem Weg geht, die ihr Leben verbessern könnten.
- Ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbstverurteilung, das dazu führen kann, dass man sich selbst verletzt oder sogar selbstmordgefährdet ist. Wer sich selbst als wertlos und ungeliebt betrachtet, ist anfällig für schwere Depressionen und Angstzustände.
Kognitive Verzerrungen
Menschen mit cPTBS, die unter toxischer Scham leiden, neigen dazu, kognitive Verzerrungen aufrechtzuerhalten. Kognitive Verzerrungen sind Denkmuster, die die Wahrnehmung der Realität beeinträchtigen und negative Emotionen verstärken können. Es gibt verschiedene Arten von kognitiven Verzerrungen, darunter Schwarz-Weiß-Denken, Übergeneralisierung, Katastrophendenken und persönliche Abwertung.
Schwarz-Weiß-Denken
Schwarz-Weiß-Denken kategorisiert alles nur in „gut“ oder „schlecht“ und lässt keine Grauzone zu. Dies kann dazu führen, dass Betroffene ihre Leistungen und Erfolge abwerten und sich minderwertig fühlen, weil sie nicht perfekt sind.
Übergeneralisierung
Übergeneralisierung tritt auf, wenn man aufgrund einer negativen Erfahrung glaubt, dass alle zukünftigen Erfahrungen genauso negativ sein werden. Das fühlt sich an, als ob sich nie etwas ändern oder gar zum Besseren wenden wird und mündet in ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Resignation, weil die Betroffenen glauben, dass sie nie in der Lage sein werden, sich zu verbessern oder positive Erfahrungen zu machen.
Katastrophisieren
Katastrophendenken vermutet ständig und überall das Schlimmste, selbst wenn es keinen objektiven Grund dafür gibt. Daraus entsteht die Hypervigilanz, eine gesteigerte Wachsamkeit, die sich in bestimmten Situationen zu einem Gefühl von Angst und Panik steigert. Katastrophisieren hindert Betroffene daran, neue Erfahrungen zu machen oder Risiken einzugehen.
Selbstentwertung
Selbstentwertung ist die direkte Auswirkung der toxischen Scham auf das Selbstwertgefühl Betroffener. Auch sie hindert die Betroffene daran, ihr Potenzial auszuschöpfen oder ihre Stärken zu nutzen.
Insgesamt führen Menschen mit toxischer Scham oft negative Selbstgespräche und erhalten damit kognitive Verzerrungen aufrecht, die Schamgefühle verstärken.
Zusammenhang zwischen toxischer Scham und Wut
Wut kann eine natürliche Reaktion auf ein Trauma sein, aber toxische Scham kann dazu führen, dass sich die Betroffene unangemessen schuldig fühlt und die Wut unterdrückt.
Wenn Betroffene ihre Wut nicht ausdrücken können, staut sich die Wut im Körper auf und macht sich in Form von körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Magenproblemen oder Schlafstörungen bemerkbar. Die Betroffene können auch auf ungesunde Weise mit ihrer Wut umgehen (SDCS), indem sie sie durch Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum oder andere selbstzerstörerische Verhaltensweisen unterdrückt.
Deswegen kann das Ausdrücken von Wut in einer gesunden Weise wichtiger Schritt des Wachstumsprozesses sein. Wer Wut ausdrückt, kann auch seine Schamgefühle reduzieren und ein Gefühl der Kontrolle und der Selbstachtung wiedererlangen. Wut kann dazu beitragen, Grenzen zu setzen und die Betroffene vor weiteren Traumatisierungen zu schützen.
Eine Therapie, die auf die Regulation von Wut abzielt, muss deshalb dazu beitragen, gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln und die Wut angemessen auszudrücken. Überdies können körperliche Aktivitäten wie Sport oder kreative Praktiken wie Malen oder Schreiben dazu beitragen, die Wut auf gesunde Weise zu kanalisieren (s. u.)
Zusammenhang zwischen toxischer Scham und psychosomatischen Beschwerden
Es klang bereits an: toxische Scham kann auch eine Rolle bei psychosomatischen Beschwerden spielen, insbesondere wenn Emotionen unterdrückt und nicht mentalisiert werden. (Psychosomatische Beschwerden sind körperliche Symptome, die durch emotionale oder psychologische Faktoren ausgelöst werden.)
Dann können die abgewehrten Emotionen in körperlichen Symptomen zum Ausdruck kommen: Kopfschmerzen, Magenschmerzen oder Rückenschmerzen. Psychosomatische Beschwerden sind aber keine Einbildung, sondern tatsächliche körperliche Symptome sind, die behandelt werden müssen. Eine Therapie, die sich auf die Regulation von Emotionen und die Mentalisierung konzentriert, kann dazu beitragen, psychosomatische Beschwerden zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu stärken.
Emotionale Dysregulation und psychosomatische Beschwerden
Toxische Scham und emotionale Dysregulation sind eng miteinander verbunden und können in vielen Fällen gemeinsam auftreten. Emotionale Dysregulation ist ein Zustand, in dem eine Betroffene von Emotionen überwältigt werden. Betroffene verharren in einem Zustand der Übererregung oder Lähmung (Dissoziation). Toxische Scham kann dazu beitragen, emotionale Dysregulation auszulösen oder zu verstärken, indem sie das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung beeinträchtigt. Zusätzlich zu dem Gefühl der Überwältigung oder Hoffnungslosigkeit, schämen sich Betroffen, dass sie ihre Emotionen nicht angemessen regulieren können.
Ferner kann die Reaktion auf traumatische Erinnerungen oder emotionale Trigger ihrerseits zu einem Anstieg der Schamgefühle führen. Was folgt, ist ein Teufelskreis, in dem emotionale Dysregulation und toxische Scham einander verstärken und die Betroffene in einem Zustand der Unruhe und Verzweiflung halten.
Beziehungsprobleme
Mit Blick auf Folgen und Symptome, ist es nicht überraschend, dass Toxische Scham auch erhebliche isolieren Auswirkungen auf Beziehungen hat. Menschen, die unter toxischer Scham leiden, sich häufig und vermeiden, intime Beziehungen einzugehen – aus Angst vor Ablehnung und Verurteilung. Misstrauen und die Schwierigkeiten, sich gegenüber anderen Menschen zu öffnen und Vertrauen aufzubauen, führt häufig dazu, dass ihre Beziehungen oberflächlich bleiben oder sogar scheitern.
Toxische Scham kann auch dazu führen, dass sich die Betroffene in ungesunden Beziehungen wiederfindet, in denen sie kritisiert oder emotional missbraucht werden, was ihre Scham verstärkt und ihr Selbstwertgefühl weiter untergräbt (Wiederholungszwang).
In einer tragfähigen Beziehung ist die Überwindung von toxischer Scham ein gemeinsamer Prozess. Es ist jedoch wichtig, dass Partner dabei auf ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren und sicherzustellen, dass die Beziehung nicht zu einer einseitigen Unterstützung wird.
Wie können Partner trotzdem helfen?
Partner können in vielerlei Hinsicht helfen, wenn ihre Partnerin oder ihr Partner unter toxischer Scham leidet. Ein wichtiger Aspekt ist es, eine unterstützende Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Betroffene sicher fühlt, ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Dazu kann es hilfreich sein, ein offenes und verständnisvolles Ohr zu haben und sich aufmerksam zu zeigen, wenn die Betroffene über ihre Schamgefühle spricht.
Schamgefühle sind oft tief verwurzelt und es kann Zeit und Unterstützung erfordern, um sie zu überwinden. Es ist daher wichtig, dass Partner sich auf den Prozess einlassen und sich selbst und ihre Partnerin oder ihren Partner nicht unter Druck setzen.
Eine weitere Möglichkeit, wie Partner helfen können, ist durch die Förderung von Selbstfürsorge. Indem sie unterstützen, dass sich ihre Partnerin oder ihr Partner um sich selbst kümmert, können sie helfen, das Selbstwertgefühl zu stärken und eine bessere Selbstwahrnehmung zu entwickeln. Dies kann durch gemeinsame Aktivitäten wie Yoga oder Meditation, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf erreicht werden. Diese scheinbar „harmlosen“ gemeinsamen Aktivitäten sind besonders dann wichtig, wenn Sexualität in der Beziehung – durch ihr negatives Selbstbild – von Betroffenen selbst hochgradig beschämend erlebt wird.
Insgesamt können Partner dazu beitragen, Betroffene dabei zu unterstützen, ihre Schamgefühle nicht auf sich selbst zu projizieren und sie zu äußern. Indem beide die eigenen Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren und darauf achten, dass die Beziehung nicht zu einseitig wird, können Partner dazu beitragen, eine gesunde und ausgeglichene Beziehung aufzubauen. Eine offene Kommunikation ist daher unverzichtbar. Gegebenenfalls ist auch Unterstützung von einem Therapeuten oder Berater notwendig.
IV. Strategien zur Überwindung von toxischer Scham in cPTBS
Die Überwindung von toxischer Scham in cPTBS erfordert Zeit, Geduld und die Bereitschaft, sich auf den Wachstumsprozess einzulassen. Es gibt keine schnelle Lösung oder magische Pille, die die toxische Scham sofort beseitigen kann. Behandlung der cPTBS erfordert eine umfassende Herangehensweise. Dabei geht es nicht einfach darum, traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten, sondern vor allem um die Überwindung selbstschädigender Coping-Strategien und den Aufbau eines positiven, fairen Selbstbildes.
Darüber wird kann eine Selbstfürsorge-Praxis, die regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und die Vermeidung von Selbstsabotage-Verhaltensweisen umfasst, ebenfalls dazu beitragen, toxische Scham zu überwinden.
Journaling ist ein wichtiger Baustein, weil es die Überprüfung negativer Glaubenssätze ebenso ermöglicht, wie die Vertiefung korrigierende Erfahrungen und Erfolge
Identifikation von Triggern
Trigger für toxische Scham können aus verschiedenen Situationen oder Erfahrungen entstehen. Sie können von außen kommen, wie Kommentare oder Bewertungen anderer Menschen, oder von innen, z.B. Erinnerungen an vergangene Erfahrungen oder sogar Träume. Es ist wichtig, Trigger für toxische Scham zu erkennen und, wenn möglich, zu vermeiden, um die Schamgefühle zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu stärken.
Betroffene können aus dem Journal eine Liste von Situationen oder Ereignissen erstellen, die toxische Schamgefühle auslösen. Diese Liste kann dazu beitragen, die Auslöser für toxische Scham zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um sie zu vermeiden oder ihnen zu begegnen.
In vielen Fällen kann auch eine therapeutische Unterstützung helfen, Trigger für toxische Scham zu identifizieren und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Eine Therapie, die sich auf die Regulation von Emotionen und die Mentalisierung konzentriert, kann dazu beitragen, Trigger für toxische Scham zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu stärken.
Mentalisierung und Selbstmitgefühl
Mentalisierung und Selbstmitgefühl können wichtige Faktoren sein, um toxische Scham bei CPTSD zu überwinden.
Mentalisierung
Mentalisierung ist die Fähigkeit, unsere eigenen Gedanken und Gefühle sowie die Gedanken und Gefühle anderer zu erkennen, zu verstehen und zu interpretieren. Sie ist die Grundlage, eigene negative Denkmuster und Selbstgespräche zu erkennen und zu neutralisieren, die zu Schamgefühlen führen können. Durch die Entwicklung einer stärkeren Mentalisierungsfähigkeit können Betroffene ihre Schamgefühle besser verstehen und die Quellen ihrer Scham identifizieren, um sie gezielt zu bearbeiten. Wer sich sicherer fühlt, die Gefühle anderer realistisch einzuschätzen, wird auch weniger von sozialen Ängsten geplagt.
Selbstmitgefühl
Selbstmitgefühl baut auf erfolgreicher Mentalisierung auf und ist die Fähigkeit, mit uns selbst auf die gleiche Weise umzugehen, wie wir es mit einem engen Freund tun würden. Es umfasst die Fähigkeit, uns selbst zu akzeptieren, trotz unserer Unvollkommenheiten und Fehler. Selbstmitgefühl kann dazu beitragen, negative Selbstgespräche und den Inneren Kritiker zu neutralisieren, indem es uns erlaubt, uns selbst gegenüber freundlicher und mitfühlender zu sein.
Zusammen können Mentalisierung und Selbstmitgefühl dazu beitragen, negative Schamgefühle zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu stärken. Indem Betroffene lernen, ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu erkennen und zu interpretieren, können sie ihre negativen Selbstgespräche besser verstehen und diese gezielt bearbeiten. Indem sie lernen, sich selbst mit Mitgefühl und Freundlichkeit zu behandeln, können sie ihre Schamgefühle neutralisieren und ihr Selbstwertgefühl stärken.
Es gibt viele Möglichkeiten, Mentalisierung und Selbstmitgefühl zu entwickeln. Dazu gehört auch, eine positive und unterstützende Innere Stimme zu entwickeln, die die Bedeutung von Selbstmitgefühl betont und die betroffene Person darin bestärkt, sich selbst gegenüber freundlicher und mitfühlender zu sein.
Achtsamkeitsübungen und Selbstfürsorge-Praktiken
Selbstfürsorge
Eine gesunde Selbstfürsorge kann dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu stärken und negative Schamgefühle zu reduzieren. Es kann auch dazu beitragen, die Betroffene in die Lage zu versetzen, gesunde Beziehungen aufzubauen und sich in Situationen zu bringen, die ihr Selbstwertgefühl stärken. Es ist aber wichtig, dass Betroffene sich selbst überhaupt Erlaubnis geben, sich umsorgt und unterstützt zu fühlen. Selbstmitgefühl und Selbstakzeptanz können dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu stärken und negative Schamgefühle zu reduzieren. Die Betroffene kann sich selbst positive Affirmationen geben oder sich an vergangene Erfolge oder positive Eigenschaften erinnern, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
Es gibt viele Möglichkeiten, Selbstfürsorge zu praktizieren. Dazu können Aktivitäten wie Meditation, Yoga, Spaziergänge in der Natur oder Körperarbeit gehören.
Es kann auch bedeuten, Zeit allein zu verbringen, um die eigenen Gedanken und Gefühle zu reflektieren und zu mentalisieren. Die Betroffene kann auch lernen, ihre Bedürfnisse auszudrücken und gesunde Grenzen zu setzen, um ihre Selbstfürsorge zu stärken.
Selbstreflexion
Ebenso wichtig wie schwierig ist es, den Innere Kritiker einzuschränken. Durch die Arbeit an toxischer Scham und die Entwicklung von Selbstmitgefühl und Selbstakzeptanz müssen die negativen Selbstgespräche des Inneren Kritikers reduziert werden.
Die bereits erwähnte Achtsamkeit und Selbstreflexion tragen dazu bei, den Inneren Kritiker zurückzustutzen. Es ist wichtig, dass Betroffene lernen, die negativen Selbstgespräche zu erkennen und infrage zu stellen, um eine gesündere Selbstwahrnehmung zu entwickeln.
Achtsamkeit
Eine weitere Strategie besteht darin, Achtsamkeit zu praktizieren und zu lernen, eigene Gedanken und Gefühle zu beobachten, um negative Selbstgespräche oder Schamgefühle frühzeitig zu erkennen und rasch zu beenden (Gedankenstopp).
Selbstfürsorge-Praktiken zur Stärkung der Verbindung zwischen Körper und Geist
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Selbstfürsorge keine egoistische oder unnötige Handlung ist, sondern ein notwendiger Bestandteil der Gesundheit und des Wohlbefindens. Es erfordert auch eine bewusste Anstrengung, um negative Selbstgespräche und den Inneren Kritiker zu erkennen und zu neutralisieren. Es kann hilfreich sein, eine positive und unterstützende Innere Stimme zu entwickeln, die die Bedeutung der Selbstfürsorge betont und die Betroffene darin bestärkt, für sich selbst zu sorgen.
Insgesamt kann toxische Scham dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, für sich selbst zu sorgen, da ihr Innerer Kritiker ihnen sagt, dass sie es nicht verdienen oder dass es egoistisch ist, sich um sich selbst zu kümmern. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Selbstfürsorge notwendig ist, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern, und eine bewusste Anstrengung erfordert, um negative Selbstgespräche und den Inneren Kritiker zu neutralisieren.
Strategien zur Regulation von Wut
Menschen mit foxischer Scham im Zusammenhang mit cPTBS haben oft Schwierigkeiten, mit ihrer Wut umzugehen. Dies liegt daran, dass sie als Kinder – zu ihrem eigenen Schutz und – lernen mussten, ihre Wut derart zu unterdrücken, dass sie überhaupt keinen Zugang mehr zu ihren aggressiven Impulsen haben (4 F’s). Allerdings wird dann die Unterdrückung von Wut auch zu einer übermäßigen emotionalen Belastung und einer Verschlimmerung von Symptomen führen.
Es ist wichtig, eine gesunde Art und Weise zu finden, um mit Wut umzugehen und sie auszudrücken. Es ist wichtig, zu lernen, die Wut zu erkennen und ihre Quelle zu identifizieren. Dies kann dazu beitragen, unangemessene oder unkontrollierte Wutanfälle zu vermeiden.
Gleichzeitig wird es auch hilfreich sein, eine unterstützende Umgebung zu schaffen, in der man seinen Ärger ausdrücken kann, ohne verurteilt oder bestraft zu werden.
Eine weitere Möglichkeit, mit Wut umzugehen, besteht darin, sie in konstruktive Aktionen umzuleiten. Zum Beispiel kann man seine Wut nutzen, um positive Veränderungen in seinem Leben oder in der Gesellschaft herbeizuführen. Es kann auch hilfreich sein, körperliche Aktivitäten wie Sport oder Yoga zu betreiben, um die durch Wut entstandene Energie abzubauen. Schreien, ein Kissen verprügeln oder sogar ein Boxsack oder ein altes Telefonbuch zum Zerreißen können notwendig werden, um nicht wahllos Gegenstände zu zerstören und sich danach erneut tief beschämt und schuldig zu fühlen.
Eine Therapeutin oder ein Therapeut kann auch dabei helfen, gesunde Wege zu finden, um mit Wut umzugehen und sie in konstruktive Aktionen umzuleiten.
V. Fazit
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
Toxische Scham ist ein häufiges Symptom von cPTBS und hat einen verheerenden Einfluss auf das Selbstwertgefühl und das Gefühlsleben Betroffener: Beziehungsprobleme, psychosomatische Beschwerden oder die Entwicklung von ungesunden Bewältigungsstrategien sind die Folgen.
Es ist jedoch möglich, toxische Scham zu überwinden und das Selbstwertgefühl zu stärken. Eine umfassende Herangehensweise, die sowohl emotionale als auch kognitive Aspekte umfasst, kann dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu stärken und die Regulierung von Emotionen zu verbessern.
Die Identifizierung von Trigger für toxische Scham und die Entwicklung von Coping-Strategien können dazu beitragen, die Auslöser für Schamgefühle zu reduzieren und das Selbstwertgefühl zu stärken. Eine Therapie, die sich auf die Regulation von Emotionen und die Mentalisierung konzentriert, trägt zur Überwindung negativer Schamgefühle zu bei und stärkt das Selbstwertgefühl.
Behandlungsmöglichkeiten von Toxischer Scham in cPTBS
Die Behandlung von toxischer Scham in cPTBS erfordert in der Regel eine umfassende Herangehensweise, die sowohl psychotherapeutische als auch medikamentöse Ansätze umfasst. Einige der Behandlungsmöglichkeiten sind:
- Psychotherapie: Die Arbeit mit einem erfahrenen Therapeuten kann helfen, die Ursachen der toxischen Scham zu verstehen und die Symptome zu lindern. Einige Therapien, die sich als wirksam erwiesen haben, sind traumafokussierte Psychodynamische Therapie, kognitive Verhaltenstherapie, Dialektisch-Behaviorale Therapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing).
- Medikamente: In einigen Fällen können Antidepressiva oder Angstlöser verschrieben werden, um die Symptome von toxischer Scham zu lindern.
- Selbstfürsorge: Es ist wichtig, dass Menschen mit cPTBS, die unter toxischer Scham leiden, auf sich selbst achten und sich regelmäßig Zeit für Selbstpflege nehmen.
Die Bewältigung von toxischer Scham ist immer ein individueller Prozess, der Geduld und Zeit erfordert. Durch die richtige Unterstützung und eine umfassende Herangehensweise können Menschen mit cPTBS jedoch lernen, ihre Schamgefühle zu reduzieren und ihr Leben auf eine positivere Art und Weise zu gestalten.
Quellen:
Walker, P. (2013). Complex PTSD: From Surviving to Thriving: A Guide and Map for Recovering from Childhood Trauma. CreateSpace.
Walker, P. (2015). The Tao of Fully Feeling: Harvesting Forgiveness Out of Blame. Createspace Independent Publishing Platform.
dachte, ich lese über mich. erhellend aber auch ernüchternd. noch viel zu tun……..
ghrrmpf.
danke für den Überblick
Vielen Dank für Ihr Feedback! Toxische Scham und Trauma sind harte Herausforderungen für alle Betroffenen. Viel Kraft auf Ihrem Weg!
Freundliche Grüße
Dirk Stemper
Pingback: Muss ich unter meinen Mitmenschen leiden?
Vielen Dank für den aufschlussreichen und auch für Betroffene verständlichen Artikel ! Obwohl das Schamgefühl in „schöner“ Regelmäßigkeit in der Traumatherapie thematisiert wird, eröffnet mir erst das simple Wort „toxisch“ und die obigen Ausführungen eine Annäherung an die tatsächliche Erkenntnis (oder deren Akzeptanz), in welch umfänglicher und nachhaltiger Bandbreite dieses vermaledeite Schamgefühl die eigenen Denk-, Gefühl- und Verhaltensmuster und die sozialen Beziehungen vergiftet.
Vielen Dank! Es ist schön, wenn der Post für Sie neue Einsichten ermöglicht hat. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute auf Ihrem Weg.
Herzliche Grüße,
Dirk Stemper